Nachdem wir im ersten Teil unserer China- Serie die Volkswirtschaft einer ausführlichen Fundamentalanalyse unterzogen haben, wenden wir uns in diesem Beitrag der Initiative «Made in China 2025» zu. «Made in China» kennen wir von Plastikprodukten und günstigen Elektronikgeräten. «Made in China 2025» hingegen ist der Masterplan der chinesischen Regierung und soll das Land weg von der Massenproduktion hin zur Hightech-Weltmacht befördern. Der im Jahre 2015 ins Leben gerufene Aktionsplan soll nach dem Vorbild der deutschen Digitalisierungsinitiative «Industrie 4.0» ausgewählte Produktsegmente der Wirtschaft fördern und die Abhängigkeit von ausländischen Technologien reduzieren. Die Initiative ist allerdings viel mehr als eine fernöstliche Version von Industrie 4.0. Während in Europa der technische Fortschritt im Vordergrund steht, geht es der chinesischen Regierung um die Neustrukturierung der gesamten Industrie und um den Ausbau der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Das Programm von Chinas Präsident Xi Jinping wird in Teilschritten umgesetzt: Bis 2020 sollen 40 Prozent der Produkte aus zehn Schlüsselbranchen mit heimischen Materialien erstellt werden. Im Jahr 2025 ist das Ziel, dass 70 Prozent aus China selbst kommen. Damit will das Land mehrheitlich unabhängig vom Ausland werden.

Die zehn identifizierten Schlüsselbranchen sind:

  1. Neue Informationstechnologien
  2. Automatisierte Maschinen und Roboter
  3. Luft und Raumfahrttechnologie
  4. Hightech- Ausrüstung für Schiffe und Seefahrt
  5. Moderne Bahntechnik
  6. Autonome und umweltfreundliche Fahrzeuge
  7. Effiziente Antriebsaggregate
  8. Landmaschinen
  9. Neue Werkstoffe
  10. Biopharma und neue medizinische Produkte

Außerdem ist die Weiterentwicklung der chinesischen Industrie in fünf Initiativen aufgeteilt. Die erste Initiative sieht bis 2025 den Aufbau von 40 neuen Forschungs- und Entwicklungszentren vor, die durch den Staat und die Provinzregierungen finanziert und kontrolliert werden. In der zweiten Initiative soll der chinesische Marktanteil von geistigem Eigentum bei High-Tech-Entwicklungen massiv ausgebaut werden. Durch die dritte Initiative sollen die Energieeffizienz und der Ressourceneinsatz gesenkt werden. Der chinesische Energieverbrauch soll bis 2025 dem eines fortgeschrittenen westlichen Industriestaates entsprechen. In der vierten Initiative sollen führende chinesische Unternehmen Smart-­Manufacturing-Techniken aufbauen, die Fabriken digitalisieren und die Lieferketten verbessern. Und die fünfte Initiative will die industrielle Grundlage verstärken, um die ehrgeizigen Vorgaben der Strategie in die Tat umzusetzen.

Dabei wird von der chinesischen Regierung der bekannte kommunistische Top-down-Ansatz angewendet. Da Peking weiterhin alles und jeden kontrollieren will, wird an der staatlich gelenkten Industriepolitik nicht gerüttelt. Während man in der westlichen Marktwirtschaft die Industrie den Marktkräften überlässt, herrscht in China weiterhin Planwirtschaft. Chinesischen Hightech- Firmen erhalten massive staatliche Unterstützung durch entsprechend üppig bestückte Staatsfonds. Die chinesische Führung greift so systematisch in die Märkte ein, um die wirtschaftliche Dominanz ihrer Unternehmen zu stärken. Gleichzeitig werden ausländische Konkurrenten durch diese Subventionspolitik benachteiligt.

Diese Ungleichgewichte stehen im Mittelpunkt des Handelsstreits mit den USA. Die US- Regierung fordert eine fundamentale Änderung des chinesischen Wirtschaftsmodells, um US-Firmen gleiche Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen. Auch aus anderen Ländern kommt Kritik, Peking subventioniere einheimische Unternehmen, während sie ausländische Firmen, die auf den chinesischen Markt wollen, zur Preisgabe ihrer Technologie drängen. Dies verstößt gegen die Grundsätze der Welthandelsorganisation WTO, denen sich auch China verpflichtet hat. Es ist davon auszugehen, dass die chinesische Regierung Zugeständnisse gegenüber der Welt wird machen müssen, aber die grundsätzlichen industriepolitischen Pläne wird China nicht ändern.

Begrenzt wird der Staatskapitalismus, wenn ein Missverhältnis zwischen politischen Prioritäten und den echten Bedürfnissen der Wirtschaft auftritt. Im aktuellen chinesischen System sind eine ineffiziente Mittelvergabe und planwirtschaftliche Fehlentscheide geradezu vorprogrammiert. Die Vergangenheit hat gelehrt, das autokratische Führer weder ihre Macht ohne weiteres abgeben, noch begangene Fehlentscheidungen klug korrigieren können. In unserer westlichen Marktwirtschaft korrigieren sich Fehlentscheidungen durch die Marktkräfte von selbst, ein autoritäres System hat keinen derartigen Korrektur- Automatismus.

Da im chinesischen System keine Bottom-up-Initiativen gefördert werden besteht für die Unternehmen keine Notwendigkeit, selbst zu investieren, da der Staat ja alle Mittel bereitstellt. Bei einem Top-Down-Ansatz kann sich keine innovative Start-up-Szene entwickeln, da diese sich nur Bottom-up entwickeln kann. Der vorhandene Ansatz mag bei Firmen funktionieren, die bestehende Produkte kopieren, massenhaft herstellen und verbreiten (von 1 zu n), jedoch nicht, um neue innovative Wirtschaftsgüter zu entwickeln (von 0 auf 1). Um die Industriepolitische Offensive auf dem Weg zur Technologieführerschaft weiter voranzutreiben bleibt China nichts anderes übrig, als einen demokratischen Wandel einzuleiten. China will mit seinen Initiativen Hightech-Länder aus Europa, den USA und asiatische wie Taiwan und Südkorea ersetzen, und zwar allesamt. Allerdings konnten Taiwan und Südkorea ihre wirtschaftliche Erfolgsgeschichte nur fortsetzen, weil sie sich Ende der achtziger Jahre demokratisierten. Außerdem ist es schwer vorstellbar, dass mittelfristig eine immer stärker auf Wissen, Kreativität und Eigenverantwortung basierende Wirtschaft autoritär beherrscht werden kann. Die immer besser ausgebildeten Bürger werden mehr Mitspracherechte einfordern.

Was dies für Investoren bedeutet

Da durch die staatliche Subventionspolitik für Unternehmen mit ungleich langen Spießen gekämpft wird, müssen wir uns bei jedem Investment fragen, ob das zukünftige Geschäft durch chinesische Firmen kaputt gemacht oder übernommen werden kann. Wir müssen genau beobachten, ob sich China in Zukunft mehr für ausländische Firmen öffnet und sich an international anerkannte Richtlinien hält.

Auch wenn der langfristige Aufstieg Chinas durch die Initiativen gesichert ist, besteht eine große Gefahr, dass der eingeschlagene Weg einige Schlaglöcher aufweist. Und es gibt keine Gewähr, dass die Regierung in Peking bei Widrigkeiten immer richtig reagiert. Daher dürfen die in der Vergangenheit erreichten BIP- Wachstumszahlen nicht einfach in die Zukunft interpoliert werden. Durch die fehlende Förderung von Bottom-up Initiativen scheinen echte disruptive Innovationen kaum möglich. Daher wird der Cashflow und die Gewinne von chinesischen Unternehmen langsamer wachsen als bei vergleichbaren Firmen in demokratisch geführten Teilen der Welt. Die Bolesch Analyse Software (BAS) berechnet im Modul Ländervergleich per März 2019 einen fairen Wert für einen chinesischen Blue Chip- ETF in Höhe von 14,63. Der faire Wert für einen weltweiten Blue Chip ETF liegt bei 16,20 und somit höher als der chinesische Wert. Für einen Schweizer Blue Chip ETF wird von der BAS ein fairer Wert in Höhe von 18,64 errechnet. Diese Werte werden jeweils mit dem KGV des entsprechenden Länder ETF verglichen.

Eine ausführliche Analyse des Aktienmarktes und des Aktien-ETF „MSCI China A UCITS“ haben wir in Teil eins unserer Serie „Länderanalyse China- Fundamentalanalyse“ vorgenommen.

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